Der unheimliche Gast und die kleine Schauspielerin

  • Hallo Freunde !


    Zu erst einmal: ACHTUNG ! Die folgende Geschichte ist nicht empfehlenswert für – sagen wir einmal – ganz todernste C&Rer der Carp-Szene, denn Feinde will ich mir nicht machen.
    Also liebe Leserin/lieber Leser, fallst Du Dich dieser Fraktion zugehörig fühlst, mache mir den Gefallen und lies nicht weiter…….


    Nun gut, die Vorwarnung ist ausgesprochen.
    Da war ich also einmal Ende Juli, nachdem ich mich bis dahin den ganzen Monat entweder fliegenwedelnd am Forellenwasser oder spinnköderwerfend in den Donauauen herumgeschlagen hatte, wieder von der Sehnsucht erfüllt, ein paar ruhige Stunden zwischen Schilf und Seerosen auf Karpfen zu verbringen und auf die rote Spitze der Pose zu schauen.
    Außerdem hatte dieses Bestreben auch einen eher prosaischen Hintergrund: Wenn wir Fisch essen, soll es in erster Linie ein Karpfen sein, dessen eher nicht fischiger Geschmack uns am ehesten zusagt.
    Gesagt, getan. Nachdem ich meine Angel ausgelegt und ein wenig Futter eingeworfen hatte, genoß ich meinen Frühabendskaffee und eine Zigarette, und fühlte mich an dem schönen Sommerabend recht wohl. Als es schon ein wenig dämmrig wurde, näherten sich Blasenspuren und waren bald auf die Futterstelle konzentriert. Schon nickte die Pose ein wenig, hob sich leicht an und tauchte dann seitlich ab. Ich schlug an und die Rute war krumm. Nach dem üblichen hin und her, wo ich die Bremse etwas fester stellen musste wegen der Hindernisse, hatte ich den recht schönen Fisch, garniert mit einigen Wasserpflanzen im Kescher. Nachdem ich ihn versorgt hatte, denn es handelte sich ja um einen „Auftragsmord“, blieb ich noch ein wenig sitzen ohne zu angeln und machte mich dann auf den Heimweg.
    Zuhause filetierte ich den Fisch im Hof, legte zwei Stückeln in den Kühlschrank für die Mahlzeit des Folgetages und fror den Rest ein.
    Bis jetzt waren unsere Karpfen vom Geschmack her immer 1A , auch im heißen Sommer, aber dieses Exemplar hatte irgendeinen Beigeschmack, es „fischelte“ ein wenig. Sowohl meine Frau als auch ich sind nämlich furchtbar heikle Esser und wenn etwas nur ein bissl anders schmeckt als sonst, tun wir uns schon schwer. Was war passiert? Es kann sein, dass der übermäßige Pflanzenwuchs dieses Sommers irgendwas ausgelöst hatte, was den Geschmack dieses Fisches für unsere Begriffe ein wenig tranig machte. Gleichzeitig sind wir, wie ich schon erwähnte, beide kein Maßstab, denn was uns nicht schmeckt, muss noch lange nicht objektiv gesehen ungenießbar sein.
    Wenn ich aber eines hasse, so ist es das Töten einer Kreatur, ohne sie sinnvoll zu verwerten.
    Meine Frau sagte: „So mein Lieber, die nächsten Stücke, und etliche davon sind ja noch im Tiefkühler, kannst Du dann alleine essen, für mich ist jetzt nach dieser Sache einmal ein paar Monate lang Fischpause !“.
    Tagelang beschäftigte mich dieses Dilemma. Ich überlegte, wie ich es anstellen solle, mich vielleicht an einem Tag, wo ich besonders hungrig bin, wieder drüberzutrauen, denn Hunger soll angeblich der beste Koch sein. Aber immer wenn ich an die Fischstücke dachte, verging mir der Hunger wieder.
    Da waren sie also die sterblichen Überreste des armen Karpfens, der ja nichts dafür konnte, dass er uns nicht schmeckte. Ein bis zwei Wochen vergingen. Er hatte inzwischen auch schon einen Namen erhalten, nämlich „der unheimliche Gast“, denn er war da und ging nicht weg und löste so ein beklemmendes Gefühl in mir aus.
    Wie bloß, ja wie bloß konnten wir den „unheimlichen Gast“ loswerden? Den Vorschlag meiner Frau „hau´ ihn doch weg“ wollte ich nicht einmal andenken, wie jeder Fischer, der auch Achtung vor der Kreatur hat, sich wohl unschwer denken kann.
    In der dritten Woche, die unser „unheimlicher Gast“ bei uns weilte, bekamen wir weniger unheimliche Gäste zu Besuch, nämlich ein befreundetes Ehepaar, das wir schon lange nicht gesehen hatten. Als wir beim Kaffee saßen, kam mir die erlösende Idee und ich verkündete:
    „Liebe Leute, stellt Euch vor, letzte Woche habe ich zwei Karpfen gefangen. Einen haben wir schon gegessen, und weil Ihr so nett seid, haben wir uns gedacht, Euch den zweiten zu schenken“ .
    Und jetzt kam der große Auftritt meiner Frau: Sie schaute andächtig, nickte langsam, und sagte: „Ja, Gerhard, das sollten wir machen, damit unsere Freunde auch etwas haben“.
    Ich erwiderte: „Klar, bei so einem guten Fisch“.
    Meine Frau neigte ihr Köpfchen ein wenig zur Seite, schloss ihre Augen halb zu, schaute ganz besonnen drein und schnurrte fast wie ein zufriedenes Kätzchen und sagte fast mit einem Seufzer „ach, mein Gott, war dieser Fisch gut…..!“
    Hut ab vor dieser schauspielerischen Glanzleistung, denn sie erzielte ihre Wirkung.
    Und so gaben wir unseren Freunden, als sie sich auf den Heimweg machten, das Sackerl mit den Filets mit und atmeten erleichtert auf. Unser „unheimlicher Gast“ hatte das Domizil gewechselt.
    Meine Frau meinte noch „was ist, wenn sich die aufregen über den Fisch, wenn er dann gar nicht gut ist?“ Ich sagte, wurscht, das ist dann denen ihr Pech, vielleicht haben sie ihn ja nicht richtig zubereitet, kann ich dann immer noch sagen. Andererseits: Es sind nicht alle Leute so heikel wie wir. Wenn die einen richtigen Saumagen haben, verputzen sie das schon.


    Gestern bekam ich eine SMS mit folgendem Inhalt:
    „Hallo Ihr Lieben. Haben gerade die letzte Portion Fisch gegessen. Lecker ! Denken viel an Euch, wann sehen wir uns wieder ? Lg.“


    Und diese SMS war es, die mir das Gewissen erleichtert hat, sodass ich mich jetzt nach 2 Monaten getraut habe, Euch diese Geschichte zu schreiben.

  • /wItz


    Also ich muss gestehen, mein erster Gedanke war: Der Inhalt der SMS klingt so derart "süß", wie die "schauspielerische Glanzleistung" deiner Frau, so dass sie nicht wahr sein kann. :D
    Ich denke die haben dan Karpf nach der 1. Portion entsorgt, zwecks Realismus ein wenig gewartet, und sich jetzt zwecks Freundschaftspfelge wieder gemeldet (um eine offensichtlich sehr aufrichtige zwischenmenschliche Beziehung zu pflegen). :D


    Und ja, man sollte sich hüten anderer Leute Fischgeschenke anzunehmen.
    Was meine Großeltern in ihre Fischlaibchen faschieren will ich auch nicht wissen - die es immer nur gibt wenn Gäste kommen. /wItz


    Und ich kenne jemanden (ein ganz besonders "netter" Zeitgenosse) der gerne Renken fängt, wenn sie sauber sind selbst Zitat: zamfrisst, und wenn sie verwurmt sind selcht und an die Verwandtschaft weitergibt.
    Die lieben Verwandten soll man doch mit Würmern belohnen. So eine Sau )Oh


    Das Problem mit dem tranigen Geschmack, oder wenn ein Fisch "lettlt", und die darauf folgende Abstinenz vom Fischessen kenne ich nur zu gut. Ich bin da auch sehr haglich. Ich mag Fisch auch nur geschmacksneutral.
    Und das Schlimmste ist ja wohl, wie du schon erwähnt hast, wenn man ihn dann entsorgen muss. Um das zu vermeiden probiere ich noch mal ihn total zu überwürzen, wie die Grillsachen aus dem Supermarkt, und ihn so zu braten/grillen. So kann man es durchstehen ... aber wegschmeißen kommt eigentlich nicht in Frage. Im absolut schlimmsten Fall bleibt halt nur noch Katz und Hund. ;)

  • Phantastisch.


    Ich hab mich zerkugelt. Ja)


    Dieses Dilemma mit den nicht ganz so guten Filets in der Tiefkühltruhe verfolgt mich schon seit Jahren.


    Ich bin ein absoluter "Vollverwerter",jeder Schädel und jedes Rückgrat ist nach dem Essen blank und nichtmal Katzen finden dann was Brauchbares.
    Auch deswegen weil ich meine,wenn was übrigbleibt oder gar schlecht wird,ist es ein Frevel gegenüber der Kreatur und außerdem ein "umsonst" getötetes Tier.



    Derzeit befinden sich noch einige fette Wallerstücke im gefrorenen Zustand(meine Frau hat schon beim Erstessen ausgesetzt,komisch)in der TK-Truhe.


    Ich werd das Telefonbuch aufschlagen und sofort etwaige Freunde einladen hihi.

  • Danke für Eure netten Zeilen und die wohlwollende Bewertung!


    Bernhard: Das mit den Wallerstücken ist interessant.
    Ich habe ja noch nie einen maßigen Waller gefangen und nur so mit meiner Frau geredet "wenn ich einen fangen tät, vielleicht schmeckt er Dir, Zander oder Hecht magst ned, Karpfen oder Schleie schon, vielleicht passt der Waller in die Geschmacksrichtung.
    Jetzt glaube ich aber, dass das doch nix für sie wäre. Aber eh alles graue Theorie. Ich fang schon keinen Waller, dazu ist mir dieser Fisch vom Charakterwesen viel zu fremd, denn sowas von konträr zu mir gibts normal nimmer......

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