Als Fischer mit den Öffis unterwegs

  • Hallo Freunde !
    Weil ein Neuer im Forum diese Frage angesprochen hat, wollte ich dann nicht mehr extra darauf im Begrüßungsthread eingehen, sondern besser gleich eine eigene Geschichte dafür aufmachen.
    Da ich im Westen von Wien wohne und dort die Fischereimöglichkeiten ohne Auto mehr als kärglich sind, war bereits in meiner frühesten Jugendzeit der viel wasserreichere Osten und Nordosten Wiens mein fischereiliches Tätigkeitsgebiet.
    Es waren Donaukanal, Alberner Hafen beim Namenlosen Friedhof, die weiter entfernte Donau mit ihrem Überschwemmungsgebiet samt all den „Lacken“ (alles vorbei seit es die „Neue Donau“ gibt) , und die noch etwas weiter entferntere „Lobau“ (heute „Nationalpark Donauauen).
    Eines ist klar ! Kaum war ich 18, machte ich den Führerschein und mit den 10.000 Schilling eines Sparbuchs der verstorbenen Oma, was für mich bestimmt war, kaufte ich meine erste „Gurk´n“ (damals üblicher Wiener Dialektausdruck für Auto) , einen windschiefen rostigen Citroen Diane aus dritter oder vierter Hand.
    Die vielen Jahre davor war ich zum Fischen auf die Öffis angewiesen. U-Bahn gab es noch nicht, sondern es fuhr die „Stadtbahn“, ein schon damals veraltetes Verkehrsmittel aus abgetrennten roten Waggons und einem schrulligen „Zugbegleiter“ in einem in der Zugmitte befindlichen Waggon, der bei jeder Station ausstieg, einen Vierkantschlüssel in eine „Sprechanlage“ steckte, den Stationsnamen ansagte und vor dem Losfahren des Zuges noch hineinbrüllte „Aaaaaaaachtung der Zug wird abgefertigt, Zurrrrrrrrücktreten, Türen Schließen !!!!“ . Danach setzte sich die archaische Garnitur ächzend in Bewegung.
    Auch wenn wir hier von einer Zeit von vor 40-45 Jahren sprechen, war das damals schon total komisch und wirkte veraltert. Die Bahnsteige waren übersäht mit Tschickstummeln (damals gabs noch keine Rauchverbote in den Stationen), und Taubenscheiße.
    Fuhr ich zum Fischen, so hatte ich einen Rucksack, in dem sich ein Gerätekasten, Proviant und ein Klappkescher befanden.
    Rutenfutterale für Unterbringung samt Rolle gab es damals noch nicht, sondern nur das Stoff-Futteral, in dem die Rute beim Kauf geliefert wurde.
    So hatte ich in der einen Hand zwei montierte 2-oder 3 Teilige Steckruten mit Rolle, die Haken im Korkgriff der Rute „gesichert“ und oben und unten mit Spagat oder Gummiringerln zusammengebunden, in der anderen Hand einen kleinen Klappsessel, und besonders schlimm, zur Zeit der Raubfischsaison noch ein Wandl mit Köderfischen (mit nicht zu viel Wasser, damit es nicht überschwappt)
    Es war eine recht unbequeme Art der Fortbewegung mit dem vielen Umsteigen, erst Straßenbahn bis zur Stadtbahnhaltestelle (heute U-Bahn), dann Stadtbahn bis Schwedenplatz, dann wieder endlos lange Straßenbahn, und dann noch Dr. Richard Autobus, der nur alle 40 Minuten fuhr.
    Nach etwa 1,5 Stunden konnte ich dann fischen. Der letzte Bus fuhr um 22 Uhr zurück, und man tat gut daran, diesen zu erwischen, obwohl das Fischen im Sommer bis 22 Uhr erlaubt war (heute 23 Uhr, aber damals war die Sommerzeit noch nicht erfunden).
    Meist checkte ich es so, dass ich um 21.45 zusammenpackte und schnell zur Busstation eilte. Wenn ich „Pech“ hatte, oder Glück- je nachdem wie man das sieht...., dann biss in der letzten Minute noch ein schöner Fisch, der erst mal gedrillt, gelandet und versorgt werden musste. Danach musste ich eben die 2-3 Km bis zur Straßenbahnstation zu Fuß durch die Nacht gehen, war dafür aber durch einen schönen Fang, der den Rucksack noch schwerer machte, beglückt.
    Anti-Stinkhüllen für Kescher und Setzkescher gab es noch nicht bzw. machte ich mir auch um so etwas keine Gedanken, sodass bei der nächtlichen Rückfahrt nach Hause alles in meiner Sphäre wie eine Nordseefiliale stank …..
    Meistens war das eh relativ egal, vor allem in den Außenbezirken, aber lustig war es oft dann, wenn die Stadtbahn bei den Stationen Stadtpark oder Karlsplatz gut angezogene Heimkehrer von Oper, Theater oder Konzerthaus mitnahm, und ältere, schmuckbehangene Damen rümpften die Nase und schauten mich vorwurfsvoll an.
    Heute würde ich das alles nicht mehr so auf mich nehmen, aber man muss auch bedenken, dass man als Berufstätiger und Familienvater ganz andere Verpflichtungen hat, als damals als Teenager, wo außer ein paar Hausaufgaben für die Schule nichts zu tun war. Und gar nicht reden brauchen wir von den endlosen Ferien, die man hatte: 2 Monate Sommerferien, 1 Woche Osterferien, 2 Wochen Weihnachtsferien.

  • Netter Bericht -der mich in die Vegangenheit schwelgen lässt. Da ich im 2 Bezirk - direkt im Prater beim Donaukanal-Anfangs der 70er Jahre aufgewachsen bin musste ich nicht soweit gehen/fahren. Zumal die "Schwarzfsicherei" bei uns Kids/Jugendlichen in den 80er Jahren noch gängig waren. Mehr als einen "Bock" (Wienerisch für einen Fusstritt am Allerwertesten) von einem anderen Fischer/Aufseher bzw. vom Überfuhrmann- bekamen wir nicht. Meistens waren wir allerdings mit einem "Handzeugl" oder eine Telerute am Fahrrad unterwegs. Das Heustadlwasser, Kaiserwasser, Donaukanal (damals noch sehr grauslich!!!!).
    An die alten Busse- mit Polsterung- wo jeder Polster aufgeschnitten oder aufgerissen war) kann ich mich auch noch erinnern- an die Stadtbahn- mit Ausnahme der U6 nur mehr dunkel (die U6 gilt für mich immer noch als Stadtbahn). Ja war a witzige Zeit- in der Straßenbahn ein Schaffner hinten drinnen. Die grauslichen grauen gewendelten Haltestangen. Trotz allem eine schöne Zeit.


    Heute für mich undenkbar- mit Öffis zum Fischen zu fahren :)


    Suber Beitrag Lupus !

  • Um ehrlich zu sein habe ich auch schon mal überlegt, mit dem Postbus an mein Revier zu reisen /hAha Ich hätt's sogar unter einer Stunde geschafft - aber es war mir dann doch zu umständlich ...


    Natürlich haben so Erzählungen von Anno-Dazumal einen gewissen Charme - gerade wenn's der Lupus schreibt und die feinen Damen vorwurfsvoll die Nase rümpfen. Io)


    "Sie wissen nicht, dass sie nur die Jagd und nicht die Beute suchen" (Blaise Pascal)

  • Danke Gerhard, für diesen wieder einmal sehr unterhaltsam geschriebenen Rückblick in die "gute alte Zeit".
    Wobei ich gar nicht der Meinung bin, dass die Zeit besser war als heute - allerdings auch nicht schlechter. Anders halt, so wie wir.... ;)
    lg, Peter

  • Schöner Bericht Gerhard. Das mit den Köderfischen verstehe ich nicht ganz. Wo hattest die her bzw warum hast du sie nicht vor Ort gefangen und bist stattdessen 1 1/2 Stunden mit ihnen spazieren gefahren? /KoPf


    LG
    Simon

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    VOKS
    Vice President
    Technical Director, Product Manager

  • Schöner Bericht Gerhard. Das mit den Köderfischen verstehe ich nicht ganz. Wo hattest die her bzw warum hast du sie nicht vor Ort gefangen und bist stattdessen 1 1/2 Stunden mit ihnen spazieren gefahren? /KoPf


    LG
    Simon


    Hallo Simon : Das war damals noch eine andere Zeit und Methoden auf Raubfisch, auf die ich hier nicht näher eingehen möchte, waren damals noch gang und gäbe. Und wenn die kalte Jahreszeit kam und die Tage kurz waren und man außerdem damals noch angeltechnisch nicht so auf zack war, dass man auch im Winter Köderln hätte fangen können, kaufte man die Köderfische beim Gerätehändler. Jeder Gerätehändler in Wien hatte so ein großes Wasserbecken mit Köderfischen für die "Raubfischangler". Am teuersten waren Aiteln, die kosteten 2 Schilling 50. Billiger waren Rotaugen oder Karauschen die kosteten 1 Schilling 80. So war das damals.


    Die Köderln kaufte ich unter der Woche und hielt sie dann paar Tage in der Badewanne.
    Aber auch über das habe ich mal eine Geschichte gschrieben.

  • Die Geschichte muss ich suchen. /hAha


    LG
    Simon

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    VOKS
    Vice President
    Technical Director, Product Manager

  • Die Geschichte muss ich suchen. /hAha


    LG
    Simon


    "Mein zweifelhafter Bezug zu Aquarien"


    Und für Donaukanalfreaks, die noch nicht so lang im Forum sind,
    "Schmutziges Wasser-Fische-Helden des Donaukanals"


    Alles hier unter "Skurrilles im Angelleben"


    Keine davon in meinem Buch, weil sie erst danach geschrieben wurden, das wär was für eine zweites Buch

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