Liebe Freunde,
endlich bin ich dazu gekommen, eine Geschichte, die ich für eine bosnische Zeitung verfasst habe, ins Deutsche zu übertragen. Grundsätzlich
geht es um den Bau von Wasserkraftwerken an vielen Flüssen am Balkan, in diesem Fall aber am Fluss Ugar in Bosnien. Ich habe die
Geschichte schreiben müssen, weil ich so betroffen war. Ich wollte damals am Ugar fischen und hatte die Rute im Kofferraum, doch auf
mich haben in der Gegend nur Bagger gewartet. Die Geschichte hat sich dann in vielen Gesprächen einfach so ergeben. Einen
deutschsprachigen Titel habe ich noch nicht, vielleicht fällt aber Euch was Gutes ein. Ansonsten... lesen, nachdenken weiter erzählen,
vielleicht bringt`s was, auch wenn es eher eine utopische Vorstellung ist.
Hier die Geschichte:
Der Ugar war ein mächtiger Fluss, mit vielen tiefen Pools und ordentlichen Wirbeln, und jetzt ist er nicht mehr als eine Rinne. Der
Fluss führt gut fünf Mal weniger Wasser als früher, das ist eine Katastrophe. Schauen Sie sich doch diese riesigen Rohren an, ganz
Donau würde da rein passen, geschweige denn Ugar“, sagt Simeun Sodolovic und zeigt auf eine der Leitungen neben dem Flussbett des
Flusses im bosnischen Bergland, unweit der Ortschaft Skender Vakuf. Die großen Leitungen sind direkt neben dem Graben verlegt und nur
noch an manchen Stellen unter dem Schutt und Kies zu sehen - die Bauarbeiten laufen derzeit noch. Hier, dicht neben der Bundesstrasse,
die die Ortschaften Skender Vakuf und Travnik verbindet, wird das meiste Wasser für eine so genanntes Mini-Wasserkraftwerk abgezweigt.
Das Wasser das übrig bleibt, versucht mit Mühe und Not das Flussbett zu decken, und ist eine ärmliche Nachahmung des einmal
wilden Flusses. „Aber hier ist praktisch das ganze Wasser in den Leitungen, ich werde immer wieder von Leuten angerufen, die hier
nachts unterwegs sind, sie berichten dann, dass der Graben trocken ist. Was das bedeutet, kann man sich ich ja vorstellen“, sagt
Sodolovic.
Simeun Sodolovic ist ein passionierter Fischer und Naturschützer und in Skender Vakuf hat er nun ein Verein gegründet mit dem er und seine
Freunde, wie sie sagen, `das zu retten versuchen, was noch zu retten ist`. Neben dem einen Kraftwerk am Ugar, für welches hier das Wasser
abgezweigt wird, sollen einige Kilometer flussaufwärts noch drei gebaut werden, und zwar in einem Gebiet, das zur sozialistischen
Zeiten unter Naturschutz stand. „Diese Kraftwerke sollen in einer Klamm gebaut werden, wo wir rundherum einen Urwald haben, den es so
oft auf diesem Planeten nicht mehr gibt. Dort etwas zu bauen, geschweige denn Dämme und Kraftwerke, das wäre nicht nur eine
Katastrophe, das wäre ein Verbrechen. Die ganze Gegend war früher ein beliebtes Ausflugsziel, hier haben wir immer viele Gäste gehabt;
Jäger, Fischer, Wanderer und Naturfotografen, davon haben Menschen hier gut gelebt. Bald wird hier aber niemand mehr kommen. Es heißt,
die Kraftwerke am Ugar schaffen Arbeitsplätze, aber so wahnsinnig viele Arbeitsplätze werden das auch nicht sein. Gleichzeitig
verlieren viele Menschen die Grundlage für den Tourismus, und davon haben sie aber auch gut gelebt“, sagt Sokolovic.
Und tatsächlich, wer den Fluss Urgar von früher kennt, wird hier drastische Veränderungen feststellen. Der Fluss führt mindestens
dreimal weniger Wasser als früher und den wilden Wald an den Ufern haben Betonblöcke ersetzt. Natasa Crnkovic, eine engagierte Biologin
und die Präsidentin des Umweltschutzzentrums in Banjaluka stellt fest, dass diese Veränderungen nicht nur für den Fluss, sondern für
die ganze Umwelt katastrophal sein könnten. „Die so genanten Mini-Kraftwerke nehmen das Wasser direkt aus dem Flussbett und führen
es zu den Anlagen, wo der Strom gemacht wird. Weiter unten bekommt der Fluss sein Wasser irgendwann zurück, aber wir haben hier zwei
große Probleme. Ersten, funktioniert ein Öko-System wie ein Fluss nur im Ganzen, und hier zum Beispiel zerstört man in den oberen
Bereichen die Laichplätze der Fische. Zweitens, haltet man sich in der Praxis nicht an das was vertraglich ausgemacht wurde. Die
Kraftwerke dürfen nämlich nicht mehr als ein Drittel des Wassers für die Stromproduktion abzweigen, aber sie halten sich nicht daran.
Oft ist der Flussgraben ganz trocken und das braucht nur einmal zu passieren und es ist vorbei mit allen Lebewesen in dem Abschnitt“,
sagt Crnkovic.
Und wenn es von heute auf morgen kein Wasser mehr in den Fluss gibt, dann verändert das auch das Mirko-Klima, fügt Crnkovic hinzu, und das
wiederum macht den Weg frei für viele aggressive Arten, die dann die autochthonen Arten bekämpfen.
Das Umweltzentrum hat schon einige Male auf die Folgen und auf Schäden hingewiesen, denn wir haben wegen der Kraftwerke schon viele
endemischen Arten verloren an unseren Flüssen, es ist ein Jammer. Der Höhepunkt war die Bedrohung von der Balkanischen Gams. Es ist
einfach unvorstellbar, wie unverantwortlich die Zuständigen an die Sache herangehen. In erster Linie meine ich unsere Politik, ihr
scheint die Natur wirklich ganz egal zu sein. Dass es den Investoren und dem neoliberalen Kapitalismus egal ist, das wissen wir schon,
aber die Politik eines Landes sollte doch auch die Natur dieses Landes schützen, oder nicht“, ärgert sich Crnkovic.
In diesem Sinne hat sich das Umweltzentrum auch an die Politik gewandt, doch alle Bemühungen, sagt Crnkovic, sind auf taube Ohren gestossen.
Im Ministerium für Bauwirtschaft und Ökologie behauptet die zuständige Ministerim Srebrenka Golic, dass alle Arbeiten nach
Vorschrift und Gesetzt durchgeführt wurden. Die Projekte sollen auch ökologisch abgedeckt werden, sagt Golic und beruft sich dabei auf
einige Studien, die im Auftrag des Ministeriums durchgeführt wurden.
Über solche Statements kann die Biologin Natasa Crnkovic allerdings nur lachen. „Diese Studien, von welchen die Ministerin redet, haben wir
schon vor dem Landesgericht zur Fall gebracht. Diese Studien haben keinen wissenschaftlichen Halt, das haben unabhängige Experten
gesagt. Dies Studien werden nur von den Investor anerkannt. Was auch nicht wundert. Das Problem ist aber, dass die Politik sie gut heißt
und wir können uns nicht dem Eindruck entziehen, dass es hier einige korrupte Stellen gibt“, sagt Crnkovic.
Es sei großes Geld im Spiel und der Investor würde in den ersten fünfzehn Jahren nach dem Bau auch Subventionen vom Staat bekommen.
Ein guter Teil davon landet aber bei der Politik, die sie bewilligt. Weil sie sich für den Investor einsetzen und ein gewisses Risiko
eingeht. Solche Deals, sagt Crnkovic, seien schwer zu beweisen, weil sie meistens in den Restaurants und Hotels statt finden. „Es ist
ein Kampf, den wir einfache Leute nicht gewinnen können. Politik arbeitet hier Hand in Hand mit den Kapitalisten und ihnen ist das
Volk egal, und erste recht die Natur, davon halten sie schon gar nichts“, sagt Crnkovic.
Parallel zu den Bemühungen des Umweltzentrums hat im Fall des Kraftwerks am Fluss Ugar Simeun Sodolovic versucht auf die Investoren Druck
auszuüben; auf das österreichishce Unternehmen Kelag und das slowenische Unternehmen Internegro. Die Antworten, die er bekommen
hat, sind immer von den Rechtsberatern der ausländischen Firmen gekommen. Ein kleiner Abschnitt eines davon im Wortlaut: „Die
Firma Kelag produziert den Strom aus 100% erneuerbaren Ressourcen und auch im Fall des Kraftwerks am Fluss Ugar wurden alle gesetzlichen
Standards eingehalten. Wir arbeiten derzeit auch an einer Fischtreppe und in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Fischerverein werden wir
für Zeit der Konzession die Kosten für den Fischbesatz übernommen“.
Natürlich“ lächelt Simunovic „das ist alles nett formuliert und es ist nach Gesetz, doch es heißt auch nicht, dass es gut ist. Die erwähnte
Treppe funktioniert jetzt schon nicht und auch die autochthone Bachforelle, die in ganz Bosnien einmalig war, gibt es hier nicht
mehr. Also was bringt uns ein solches Gesetz? Wir sollten und hier auf Torismus konzentrieren, dann hätten alle was davon und nicht nur
die Investoren und die Politik. Früher haben hier Deutsche und Österreicher gejagt, gefischt und gewandert und die haben hier nicht
wenig Geld ausgegeben. Und davon, wenn man nur ein wenig in die Werbung investiert, lässt sich doch auch gut eben und die Natur
trägt keinen Schaden, was das Allerwichtigste wäre“, sagt Simunovic.
Dann dreht er sich zum Fluss und schüttelt verzweifelt den Kopf. „Dort“ sagt er, „dort wo diese Pumpe einbetoniert ist, dort hat früher
die Bachforelle gelaicht.“
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