Verunreinigtes Wasser, Fische und Helden des Donaukanals

  • Hallo Freunde !


    Weil sich Reinhard gerade erinnert hat an die Donaukanalfischer bei der Urania seinerzeit , wo man zwischen schwimmenden Krauthappeln und schwimmendem Heislpapier kapitale Fänge und reiche Beute machen konnte, kann ich sagen, dass ich selber ein fixer Bestandteil jener Szene war, und zwar viele Jahre lang (so lange, bis der Donaukanal zu sauber wurde und die nichtanglerische Freizeitnutzung überhand nahm).


    Vor über 40 Jahren, nachdem ich endlich das magische Alter von 14 Jahren erreicht hatte, ab dem man eine Angellizenz lösen konnte, war ich bald „stolzer Besitzer“ zweier Jahreslizenzen, einer für den Donaukanal und einer für die Donaustadt (Überschwemmungsgebiet, Zinkabachl, Stürzllacke etc.).
    Da ich im Westen von Wien wohnte und wohne, war das schöne Stürzlwasser im Überschwemmungsgebiet eher eine Wochenendangelegenheit für mich, weil es doch eine ziemlich Weltreise bis dort hin war. Hingegen war man mit der Stadtbahn schnell bei der Urania am Donaukanal.


    Bald kannte ich die eingefleischten Fischer dort, und nach dem Prinzip leben und leben lassen, saßen wir Ellenbogen an Ellenbogen meistens auf dem verrosteten Geländer bei einer alten häßlichen Betonhütte unterhalb der Urania, und unsere Schwimmer dümpelten einer neben dem anderen in der schmutzigbraunen Kehrströmung unter der Spundwand.
    Solange man nicht über das Zeugl eines anderen warf (Deppata, kaunst glei ummi gehen auf die andere Seitn), war man geduldet. Das andere Ufer war nämlich interessanterweise weniger beliebt, und als „Überkreuzwerfer“ dorthin zu verbannt zu werden wäre schlimmer gewesen als die Exkommunikation aus der Kirche.


    Die meisten Sportsfreunde waren entweder Arbeitslose, Frührentner oder Kriegsinvaliden (damals noch ein gängiges Bild).


    Nun kommen wir aber zum Helden meiner Geschichte:
    Dieser war ein kleiner Schwarzfischer, und zwar ein 11 bis 12 jähriger Bub, eher ärmlich und schmutzig gekleidet, wie damals üblich immer in kurzen Hosen und mit zerschundenen Knien und Ellenbogen. Aber er war fast immer am Wasser.


    Sein Gerät möchte ich folgendermaßen beschreiben.


    Die Rute war eine ausrangierte gespließte Fliegenrute. Jawohl, Freunde, Ihr habt richtig gelesen, eine GESPLIESSTE! Nur, wer da automatisch an etwas Kostbares und Teures denkt, den muß ich eines Besseren belehren. Damals gab es nämlich auch spottbillige gespließte Ruten von ganz schlechter Qualität, die meist in Japan oder Honkong oder so erzeugt wurden. Sie hingen sehr stark durch und waren eben von schlechter Qualität.
    Man höre und staune: Heute, wo japanische Erzeugnisse in der Regel Qualitätsprodukte sind, (man denke nur an Shimano oder die sündteuren Illex-Sachen), wird sich kaum noch einer daran erinnern, dass damals alles, was aus Japan kam, als billiges Glump galt, was schnell hin wurde. Ich kann mich sogar noch an die lustige Anpreisung von irgendeinem Angelgerät in einem Katalog von damals erinnern „ Sehr preiswert, KEINE JAPANWARE !“
    Nun, unser kleiner Held hatte also diese stark durchhängende und spitzenverbogene „Fliegenrute“, die man auch gar nicht mehr zerlegen konnte, weil die Hülsen schon in sich eingerostet waren.


    Die Rolle war auch ein Prachtstück. Die billigste Version der „Stationärrolle“, und zwar die Daiwa ohne Schnurlaufröllchen. Statt des Schnurlaufröllchen hatte der Bügel lediglich einen Knick an jener Stelle, und über den lief die Schnur, und zwar ein Uralt-Platil , sehr zerkringelt und so schöne „Zöpfe“ bildend.


    ABER: Fischen konnte er ! Der wurmstichige Korkschwimmer, an dem nur noch Reste der Lackierung zu erahnen waren, trieb immer zielgerecht in der richtigen Strömungspassage, souverän geführt und punktgenau an die Stelle, wo große Nasen und Gangln (Nerflinge) herzhaft zuschnappten.


    Der Drill sah auch immer recht komisch aus, denn die „Wunderrute“ bog sich mehr im Handteil als in der Spitze, weil sie kein gescheites Rückgrat hatte. Aber es half nichts, Fisch um Fische wurde gelandet, der kleine Lauser verstand sein Handwerk.


    Aber nicht nur sein fischereiliches Handwerk war beachtlich. Er hatte auch eine „Mordsgoschn“ und war ein regelrechtes Schlitzohr, welches es faustdick hinter den Ohren hatte. Vermutlich eher in tristeren Familienverhältnissen aufgewachsen, war er offensichtlich schon von klein auf gewohnt, sich seinen Weg „auf der Straße“ durchzuboxen.


    So löste er auch das kleine Problem, dass er ja natürlich keine Lizenz haben konnte, auf eine ganz originelle Weise:


    Ich war selber Zeuge, wie einmal einer von den älteren Fischern zu ihm sagte, er solle sich schleichen, er habe ja gar keine Karte.
    Unser Held pflanzte sich vor dem gestandenen Mannsbild auf, verzog die Augen zu tückisch schmalen Schlitzen, zeigte mit einer vagen Handbewegung in Richtung eines undefinierten Punktes irgendwo weit stromab am anderen Ufer , und sprach ganz leise mit einer übertrieben ruhigen Stimme
    „Oida, dort drübn is mei Vater, und der is a Kontrollor. Wennst an Wickl wüüst, brauch i eam nur holen, der reißt dir den Oasch auf“.


    Diesen Kontrollorvater gab es natürlich nicht.


    Aber es wurde fast ein ungeschriebenes Gesetz, den Kleinen in Ruhe zu lassen. Nicht einmal ein Fischereikontrollorgan hätte ihn „gestampert“. Durch seine kecke und immer schlagfertige Art erreichte er irgendwie immer, was er wollte.


    Ich kann mich auch erinnern, dass er sich einmal meine doch bessere Teleskoprute ausborgte (lass mi a bissl fischn damit). Natürlich fing er auch damit viel mehr Fische als ich. Als er aber dann schon eine Stunde damit fischte und keine Anstalten machte, sie mir zurückzugeben, und ich doch irgendwie diskret mein Eigentum zurückfordern wollte, fuhr er mich an „Mach i dir´s vielleicht hiiiiii, oder wos? Trottl, do host dein Paradeissteckn wieder, bin eh ned haaß drauf….“ , und er knallte die Rute verächtlich auf den Beton, schnappte sich seine alte krumme Fliegenrute und fischte und fing weiter…….

  • Lieber Gerhard,


    Du hast den Titel des "Foren-Poeten" und mehr uneingeschränkt verdient.... kL$kL$kL$


    Das wirklich Schöne bei Deinem Schreibstil ist, dass das Darstellte fast wie ein
    Kinofilm in visuell nachvollziehbarer Weise zum Leser transportiert wird.... Io)


    Ääähhhh..... gibts Dein Buch noch?


    LG aus Lt.


    Manfred

    "Jeder Tag der vergeht, ohne das ich etwas; sei es auch noch so klein, gelernt habe, ist ein verlorener Tag."

  • /hAha /hAha


    Danke !!! Danke !!! Danke !!!


    sitze gerade beim Abendessen und bin beim Lesen dieser Geschichte an meinem Champigonschnitzel halb erstickt ... mir steht jetzt noch immer das Wasser in den Augen vor lauter lachen kL$ kL$


    "Deppata, kaunst glei ummi gehen auf die andere Seitn" ..... "Trottl, do host dein Paradeissteckn wieder, bin eh ned haaß drauf….“ .... HERRLICH !!


    /wItz

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