Das erste Mal am Lipno- im Jahr 1966

  • Die „allseits geschätzte Forumsstütze“ Patrick, der immer hilfsbereite Pabru, hat vor ein paar Wochen bedauernd gepostet, dass er eigentlich am Lipno sein sollte, es aber leider nicht sein kann .
    Und auch ich hab es trotz ein paar -eher halbherziger- Anläufe heuer nicht dorthin geschafft, obwohl ich eine Jahreskarte habe.
    Ja und deshalb kommt von mir halt wieder etwas von ganz früher und ich geb es zu, ich hab es schon einmal in einem anderen Forum gepostet.
    Es war so - mein Schulfreund und ich waren damals recht unternehmungslustige 19-jährige Burschen und beide begeisterte Fischer. Im Spätsommer wollten wir zum Lipno schon in aller Herrgottsfrüh aufbrechen, mit dem noch recht neuen VW Käfer des Vaters meines Freundes, der ihn uns mit eher gemischten Gefühlen und vielen guten Ratschlägen überließ. Auch eine schwere Kette mit großem Schloss, um das Lenkrad und das Kupplungspedal zu blockieren, gab er uns vorsorglich mit.
    So einfach mir nichts dir nichts ging das aber alles nicht, man musste Wochen vorher rechtzeitig in Linz ein Visum beantragen. Es gab auch einen täglichen Zwangsumtausch an Kronen zu einem festgesetzten Kurs, die „Schwarzen“ kosteten nur ungefähr ein Drittel davon und machten uns zu echten Krösussen - wenn man nicht erwischt wurde. Auch mit den offiziellen Kronen war alles billiger als bei uns - sofern es vorhanden war - und unwillkürlich verwandelten wir uns dann auch etwas in aufgeblasene „Kapitalisten“.
    Vorher, an der Grenze allerdings da war es gruselig, es standen neben Scharen von Grenzern noch jede Menge Soldaten sogar mit gezückten MP´s und das Herz rutschte einem in die Hose. Es ging aber alles gut und nach strenger Kontrolle mieteten wir uns in Cerna(Schwarzbach) in einem der vielen kleinen Holzhütterl ein und ich habe noch heute den strengen Geruch nach Karbolineum im Gedächtnis haften. Einige gibt es noch heute, sie sind mittlerweile teilweise sogar recht ansprechend renoviert worden und für einen kürzeren Fischeraufenthalt erscheinen sie mir überhaupt nicht übel.
    Problemlos bekamen wir damals eine Fischerkarte und mit unserem kleinen Schlauchboot - kein fester Boden und nur so mickrige Alupaddel - brachen wir unverzüglich zu der knapp 2 km entfernten, bewaldeten Insel Taivan auf. Den ganzen Tag fischten wir eifrigst, mit Wurm, Teig, mitgebrachten Köderfischerln und fingen - nichts aber auch gar nichts.
    Während des Tages hatte der Wind immer mehr aufgefrischt und blies uns jetzt bei der Rückfahrt mit voller Stärke ins Gesicht. Das Boot bäumte sich sogar ein bisschen auf und die Wellen überschütteten uns mit Gischt und Spritzern. So richtig scharf rudern trauten wir uns gar nicht - was wäre, wenn ein Ruder bräche - und erst nach langer Zeit, nass, unterkühlt und doch verschwitzt, sowie ziemlich erschöpft, kamen wir glücklich und erleichtert an. Eine Schwimmweste hatten wir natürlich nicht gehabt.
    Allerdings beim abendlichen opulenten Mahl im Hotel „Racek“ (Möve) waren wir schon wieder bestens drauf und der legendäre, süßlich pickige Krimsekt tat das Seine dazu.
    Und so fuhren wir nächsten Tag wieder zur Insel rüber. Sehr bald kam ein alter tschechischer Fischer mit seinem abenteuerlichen blechernen Boot samt vorsintflutlichem, wahrscheinlich selbst gemachten Außenbordsprudler daher. Er fing mit einer Senke einige Köderfische und gestikulierend bot er an, unser Schlaucherl mit ihm auf den See raus zu schleppen.
    Das geschah auch. Er blieb dann stehen, blickte nach mehreren Seiten zum Ufer hin, ruderte ein bisschen, prüfte wieder, das Ganze nochmals und ankerte schließlich. „Da gut!“ Er konnte ein bisschen Deutsch, welches zu so lieben, kreativen Wörtern wie „Eisenfisch“ für Blinker führte.
    Auf einer Luftbildkarte aus 1949 - da gab es den Stausee noch nicht - konnte ich vor einiger Zeit feststellen, dass dort das ursprüngliche Bett der Moldau ist und auch mehrere Wege und Kanten hier verlaufen. Es sind ja damals auch jede Menge Häuser im See verschwunden, heute wahrscheinlich echte Hotspots für Kenner.
    Kurz und gut, wir fingen bald einen sehr schönen Zander und später einen guten Hecht- allerdings unser Gönner, der in die entgegengesetzte Richtung auslegte, hatte in dieser Zeit dreimal Petri zu verzeichnen.
    Ja und dann ging es wieder heimzu. An der Grenze interessierte die tschechischen Zöllner unsere Beute überhaupt nicht aber mit einem Spiegel leuchteten sie sogar unter das Auto und sahen in jeden Winkel. Wir hätten ja schließlich eine hübsche Tschechin oder ein kesses ostdeutsches Mädel schmuggeln können - im Hochsommer war der Lipno damals ein Urlaubs-und Campingparadies, übervölkerter und noch beliebter als heute, besonders auch bei den Ostdeutschen, die ja in dieses sozialistische „Bruderland“ fahren durften.
    Schon das nächste Jahr fuhr ich dann wieder zum Lipno, diesmal - allerdings nicht ganz nach meinem Willen - protzig im für damalige „Ostblockverhältnisse“ mondänen Hotel Racek logierend. Aber dies ist eine andere Geschichte.
    LG von grusteve(Stefan)
    Foto 1: Taivan auf der Karte, nahe Cerna (Schwarzbach)
    Foto 2 : Taivan von Cerna aus gesehen
    Foto 3: „ Hütteldorf“- hat vermutlich mehr als 60 Jahre überdauert.
    Foto 4 : Sie kleckern nicht, die Tschechen, wenn sie etwas neu machen. Mittlerweile kann man den See auf teilweise neu angelegten, fabelhaften Radwegen gut umrunden.
    Foto 5 : Eine nagelneue Brücke nur für Radfahrer und Fußgänger


    DSC02971.JPG

  • Ganz großartig geschrieben.


    Und da kommen auch bei mir Erinnerungen an den Ostblock, der ja praktisch von meiner Geburt an bis ins beste Männeralter völlige Realität für mich war. Deshalb kann ich mich auch genauso gut daran erinnern.


    Ja, die lustigen Bezeichnungen der älteren Leute, die noch etwas Deutsch konnten: "Eisenfisch" für Blinker ist mir auch ein Begriff. Dann sagten sie "Spagat" zur Schnur, und "Maschine" zur Rolle. Zumindest in Südosteuropa. Sie hatten aber auch selbst recht gute Marken für ihren Gebrauch, wie etwa vieles aus der DDR wie die berühmte Rileh-Rex Rolle, oder in der CSSR die Firma Tokoz mit der berühmten TAP Rolle und den Tokoz Ruten. Die DDR-Angelschnur "Dederon", dann diese herrlichen russischen Teleskopruten !!!!


    In den 80er Jahren dann war das Statussymbol der Osteuropäer, wenn einer irgendwie über Quellen aus Deutschland eine silberne Stationärrolle bekam. Silberne Stationärrolle wurden gegenüber Österreichern und Deutschen als "weisse Maschine" ausgesprochen. Ob man ihnen über den oder den eine weiße Maschine mitgeben könne oder wenn man wieder kommt, mitbringen könne.


    Ja, der allgegenwärtige Krimsekt.


    Ostdeutsche in "Bruderländern" sind mir auch noch reichlich bekannt. Irgendwie sahen sie oft ein bissl so aus wie unser "Mundl", ich meine von Styling her, und hatten meistens diese komische Aussprache, nicht so wie sonst die Piefke, sondern irgendwie anders, später kamen wir drauf, dass sind sächsische oder thüringer Dialekte. Die Mädels waren auch recht lustig, irgendwie so eine etwas sparsamere Variante der 70er Jahre Girlies von Ö. Und in den 60ern waren sie oft so wasserstoff-blond und das Haar eher rauftoupiert. Die typische Tschechin der 60er Jahre war eher mollig, Wasserstoff-Peroxid blond und so.....

  • Servus Stefan,

    Zitat

    Die „allseits geschätzte Forumsstütze“ Patrick, der immer hilfsbereite Pabru


    Das ehrt mich natürlich und herzlichen Dank für diese Blumen, ich gebe mein bestes Io)


    Es freut mich selbstverständlich wenn ich dich durch meine Aussage als ich krank im Bett lag, dazu animiert habe einen Bericht zu schreiben!


    Der Bericht ist wie gewohnt sehr hochwertig und ausgesprochen gut formuliert, macht echt Spaß diese Zeilen aus den alten Tagen zu lesen. Früher musste man auf das Visum warten und heute muss man auf die Tschechische Angelerlaubnis warten, das Warten ist zumindest schon mal gleich geblieben )jAaa


    Bei dem Part wo euch der Einheimische mit auf seinen Platz genommen hat dachte ich mir echt das ist aber ein feiner Zug von dem und natürlich können solche Zufälle dann über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Gerade auf Seen in dieser Größe da braucht man auf eigene Faust schon mal eine gute Zeit lang um diesen zu erkunden.


    Das mit den Ostdeutschen war mir neu, ich dachte eigentlich die durften nu in Ungarn urlauben, aber irgendwie ist es eh naheliegend dass es ihnen auch hier erlaubt war.


    Krimsekt schlürfen und aufgeblasene Kapitalisten /hAha da musste ich lachen, es war zwar um einige Jahre später aber auch meine Freunde und ich fuhren oft nach Tschechien übers Wochenende zum Fortgehen , Disko,.... war sehr lustig :)


    Auch der Teil mit dem Auto am Anfang, sehr köstlich. Natürlich kennt das wahrscheinlich fast jeder wenn der Vater sein Auto her borgt und in seiner Verzweiflung noch einige Tipps gratis dazu gibt /wItz


    Danke für diese sehr amüsante Geschichte,
    Patrick

  • Und ich Volkschüler, aber gerade deshalb und auch weil ich immer viel bildungshungriger war und mich in der Volkschule nur fadisiert hatte, weil ich eh schon längst schreiben und rechnen konnte, bekam ich Sachen wie Eiserner Vorhang und so Zeugs schon mit, und auch weil wir Verwandte "drüben" hatten.

  • Danke für eure netten Antworten !
    Gerhard, Patrick und Karl eure "Altersberechnungen" sind amüsant- und ja, ihr habt halt die "Gnade der späten Geburt", was durchaus beneidenswert ist ! )jAja


    Du Gerhard bist ja auch ein äußerst profunder Ostblockkenner- wie wir aus einer Reihe von tollen Beiträgen schon wissen.


    Das ehrt mich natürlich und herzlichen Dank für diese Blumen, ich gebe mein bestes

    Ja Ehre, wem Ehre gebührt ! kL$

    auch meine Freunde und ich fuhren oft nach Tschechien übers Wochenende zum Fortgehen , Disko,.... war sehr lustig


    Da werd´ses tuschen haben lassen ! /wItz/hAha


    LG

  • Das mit den Ostdeutschen war mir neu, ich dachte eigentlich die durften nu in Ungarn urlauben, aber irgendwie ist es eh naheliegend dass es ihnen auch hier erlaubt war.

    Ja, die braven, regimetreuen Genossen durften schon auch hier urlauben, sie mussten ja auch auf der Reise nach Ungarn hier in Tschechien mit ihren Trabis und Wartburgs durch.
    Es gehört zwar nicht zum Thema aber ich möchte es trotzdem berichten, weil es so faszinierend und berührend ist.
    Ich habe die Geschichte vor ein paar Tagen- im wie ich glaube MDR-gesehen .
    Ein junger Schwede lernte in den frühen Sechzigern ein -bildhübsches-ostdeutsches Mädel kennen und lieben. Für sie lernte er fliegen und flog mit einem Kleinflugzeug von Wien aus über die schwerbewachte Grenze nach Tschechien, um sie in die Freiheit zu holen. Der erste Versuch ging schief, doch der zweite ein paar Tage später klappte dann.
    In Baumwipfelhöhe flog er dahin und kollidierte um ein Haar mit einem Wachtturm. Seine Verlobte wartete auf einem Feld an der Grenze, er nahm sie auf und beide kamen glücklich zurück. Ein Wunder, hinter dem aber sicher auch eine Menge Logistik gesteckt hat.!
    Und jetzt-mittlerweile gute 80- haben sie diesen Ort wieder aufgesucht.


    LG

  • Die Ostdeutschen waren doch überall im Ostblock. Ob CSSR oder Balaton, ob Schwarzes Meer in RO oder BG.
    Ich weiß nicht, ob viele andere Ostblock-Bürger im Gegenzug in die DDR gefahren sind, ich glaub aber eher nicht. Im Urlaub wollen immer alle nach Süden. Dabei hat die DDR schon schöne Gebiete, sei es Spreewald oder Mecklenburg, sei es das Vogtland oder die "sächsische Schweiz"...... , sei es Städte wie das wunderbare Dresden uw.
    Und wer kennt nicht die berühmte "Thüringer Rostbratwurst" und das "Radeberger Pils" kL$

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