Liebe Freunde!
Heute möchte ich Euch ein „kleines Paradies“ für mich am Rande der Großstadt vorstellen:
Immer, wenn ich unter arbeitsmäßigem Zeitdruck stehe, aber den inneren Drang verspüre, nicht „nur“ auf Fischarten zu angeln, die eher spezifisch für die Tiefebene und die dichter besiedelten Gebiete sind, sondern sozusagen aus Sehnsucht zu ferner gelegenen Traumrevieren meiner geliebten Steiermark zumindest der Illusion frönen zu können, die Fliegenrute zu schwingen, fahre ich die knappe Viertelstunde Richtung westliche Stadtausfahrt, um an jenes Flüsschen zu gelangen, welches den Namen meiner Heimatstadt Wien trägt, den Wienfluss.
Die meisten Wiener und auch Wienbesucher kennen nur dicht verbauten, in ein häßliches Betonkorsett gezwängten und teilweise sogar total umwölbten Teil, wo natürlich kein Fisch vorkommen kann, aber der bereits wienerische Teil des Wienflusses bei Hadersdorf hat diesen eigenartig „spröden“ Charme. Zwar fließt er bereits durch dicht besiedeltes Gebiet, ist aber in diesem relativ natürlichen Teil mit reichlicher Ufervegetation und dem unvermeidlichen Springkraut mit seinen süßlich duftenden Blüten ein hübscher Anblick für meine durch Arbeit am Bildschirm oder Studium von dienstlichen Schriftstücken ermüdeten Augen.
Bevor ich noch konkret die Lage peile und nach Fischen bzw. den gerade herumschwirrenden Insekten zwecks Wahl der richtigen Fliege Ausschau halte, sinniere ich schmunzelnd darüber, ob wohl die Stadt nach dem Fluss heißt, oder umgekehrt. Für mich als Fischer ist es natürlich klar, dass erst der Fluss da war und dann die Stadt nach ihm benannt wurde, egal was mir Historiker erzählen wollen.
Wieder einmal betört mich der bereits erwähnte süßlich-schwere Duft der violett-purpurnen Blüten des rohrähnlichen Springkrautes, vermischt mit einem herrlichen Kaffeeduft, der von einer nahe angesiedelten renommierten Kaffeerösterei kommt. Als ich vor Jahren das erste Mal – noch nicht dort fischend- mit meiner Frau einen Erkundigungsspaziergang dort durchführte, rätselten wir beide, woher dieser phantastische Kaffeeduft kommt. Wir versuchten, immer der Nase nachzugehen und kehrten schließlich in das einzige offene „Beisl“ ein, wo der ziemlich phantasielos hingeknallte Mokka eher einen Nullachtfünfzehngeschmack hatte, sodass wir weiter vom herrlichen Kaffeeduft träumen mußten, bis ich schließlich später eben in Erfahrung bringen konnte, woher dieser herrliche Duft stammt, der sich mit dem herben Geruch des leicht „angestaubten“ Wassers und den Uferpflanzen so eigenartig vermischt.
Es ist ein schöner Spätnachmittag und ich möchte in erster Linie mit der Trockenfliege fischen. Bald kann ich einige kleinere bis mittelprächtige Exemplare der schlauen „Grusi-Trouts“ überlisten (Aitel, die dort in Unmengen vorkommen aber teilweise fast unfangbar sind, wenn man nicht mindestens so vorsichtig fischt wie bei der heiklen Äsche). Eigenartig, wie dieser doch recht plumpe und klobige Fisch die Fliege nur ganz ganz vorsichtig nimmt, sich dann anfangs recht stark wehrt, sich aber verblüffend schnell ergibt. Recht spannend wurde es übrigens einmal, als eine recht mächtige „Grusi-Trout“ im Drill vehement unter das ausgewaschene Ufer zog und nicht mehr herauszubekommen war, bis ich den alten „Aalfischertrick“ anwandte und bei gespannter Schnur mit der Handkante auf die Rute klopfte. Schon kam der Kerl wieder heraus….. .
Als die Sonne schon sehr tief stand, erblickte ich in einem leichten Rückstau zwischen den üblichen Aiteln eine schöne Regenbogenforelle. In dem an dieser Stelle nur sehr langsam fließenden Wasser kreuzte sie ständig hin und her, und ich versuchte sie anzuwerfen, was aufgrund der Uferverhältnisse nicht leicht war. Ich hatte schon das Gefühl, dass diese Regenbogenforelle mich nicht ganz ernst nahm, denn sie schien elegant und diskret meine Präsentationen zu umgehen. Ich wechselte schon dreimal die Fliege, bis ihr eine hellbraune geflügelte Sedge doch interessant vorzukommen schien, denn sie steuerte darauf zu und machte „schwapp“. Ein solcher Fisch, der nicht nach allem schnappt und auch nicht in Überbesatz massenweise vorkommt, kann eine ganz schöne Kraft haben und so bescherte sie mir schöne Momente beim Drill. Und 37 cm ist auch nicht so schlecht. Nur keine gemästeten Riesendinger, Gott behüte!
Nachdem ich also mein doch nicht direkt erwartetes Abendessen im Körbchen verstaut hatte, steckte ich meine Rute auseinander und trank noch ein Krügl im Freien in einem Beisl oben auf der Strasse, mit Blick auf den eigenen Charme der recht alten Häuser in diesem schon etwas ländlich aussehenden Teil der „Hauptstraße“ kurz vor Zusammentreffen mit der Wiener Strasse, welche Richtung Purkersdorf geht….
Und wieder war ich dankbar, die Möglichkeit zu haben, in diesem kleinen Vorstadtparadies der nassen Waid nachgehen zu dürfen.